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RZ 16.05.2011

Rheinzeitung:

PORTRAIT Ministerin Irene Alt: Wo sie hinkommt, packt sie an

Rheinland-Pfalz. Sie trägt ihre Akten noch mit sich herum, hat kein richtiges Büro und auch noch nicht alle Mitarbeiter zusammen. Doch eine Frau wie Irene Alt halten Provisorien nicht auf.

Die künftige Grünen-Ministerin mit der wild auftoupierten Mähne ist über vielerlei Bürgerinitiativen in die Politik eingestiegen. Sie fragt nicht lange, bevor sie anpackt, und sie zögert nicht groß, bevor sie losmarschiert. Das Energiebündel aus Budenheim wird ein Haus mit 100 Mitarbeitern führen, zuständig für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen. Für die 53-Jährige ist dieser Ressortzuschnitt das, „was ich mir gewünscht habe“. Ein anderes Ministerium wie Bildung oder Wissenschaft hätte sie niemals übernommen. Die scheidende Zweite Beigeordnete im Kreis Mainz-Bingen ist mit Leib und Seele Sozialpolitikerin.

 

Im Mittelpunkt: der Mensch

Ein Typ Frau, den man gern mal anruft, wenn es ein Problem zu lösen gilt. „Frau Alt kümmert sich schon“, hieß es an ihren vielen Wirkungsstätten. Gleich, ob sich eine kinderreiche Familie überfordert fühlte, jemand einen Job brauchte oder es Schwierigkeiten mit der Pflege im Alter gab. „Ich konnte nicht immer helfen, aber ich habe es zumindest versucht“, sagt die Grüne. Und wenn sie mit den Mitteln der Verwaltung nicht weiterkam, hat sie Ehrenamtliche mobilisiert.

Ein Beispiel ist die Bürgerstiftung Rheinhessen. Im Oktober 2009 gegründet, setzt sie dort an, wo die öffentliche Hand nicht hinreicht. Die Initiative, von engagierten Bürgern getragen, macht Freizeiten für Eltern behinderter Kinder möglich. Oder sie hat ein sogenanntes „Zeitschenker-Projekt“ ins Leben gerufen. Hier werden Alleinerziehende entlastet, die sich tagtäglich um einen behinderten Sohn oder eine behinderte Tochter kümmern.

Die gelernte Erzieherin versteht Politik als Bewegung von oben und unten. Politisch zu denken und agieren, hat sie in allerlei Basisgruppen gelernt. Ihre ersten beruflichen Schritte machte sie in einem Kindergarten in der Mainz-Bretzenheimer Ziegelei, den eine Elterninitiative aus der Taufe gehoben hatte. „Das war Basisdemokratie vom Feinsten – mit Elternabenden bis nachts um ein Uhr“, sagt sie und lacht. „Alles war bunt und lebendig. Wir hatten Schweine, Hühner, einen tollen Garten.“

Von da aus ist der Weg bis in die Landesregierung ziemlich weit. Die Mutter zweier Töchter und Großmutter zweier Enkelkinder gibt offen zu, dass sie stolz auf das ist, was sie erreicht hat. Nach dem Fachabitur war die Praxis ihre Universität. Nun ist sie in der Landespolitik weit oben angekommen. „Eine solche Karriere kann man nicht planen. Ich hatte einfach unheimliches Glück“, sagt sie. Und wieder dieses Lachen.

Ihr Credo: „Bei mir steht immer der Mensch im Mittelpunkt.“ Sich selbst bezeichnet sie als einen „positiven Menschen“. Andere nennen sie herzlich. In Verhandlungen sucht sie gern nach dem Kompromiss. „Ich bin recht unkompliziert“, sagt sie. Dafür hat sie auch von den eigenen Leuten schon mal das Etikett „Konsensfrau“ angeheftet bekommen. Polarisieren liegt der Saarländerin aus dem Städtchen Lebach einfach nicht.

 

Unkonventioneller Auftritt

Doch Irene Alt ist nicht nur unkompliziert, sie wirkt auch unkonventionell. Sie trägt Federohrringe, alternativ anmutende Kleidung mit Chic, wirkt wenig statusbewusst.

Politisch möchte sie mehr Migranten in den Behörden, um die Integration zu erleichtern. Für das Abschiebegefängnis in Ingelheim will sie „bis 2012 eine Lösung haben“. Die Menschen dort sollen deutlich humaner untergebracht werden. Und unter dem Arbeitstitel „Kita plus“ sollen bis 2016 rund 30 Millionen Euro fließen, um Personal besser ausbilden und ausstatten zu können oder die Sprachförderung zu optimieren.

Ihr neues Ministerium wird wohl in die Kaiser-Friedrich-Straße 5 ziehen, dort, wo früher Landwirtschaft und Weinbau untergebracht waren. Das neue Haus ist nötig, weil Alts Ressort aus drei alten Ministerien gespeist wird. Vom Sozialministerium stammen die Bereiche Integration, Familie, Kinder und Frauen, aus dem Bildungsministerium kommt die Zuständigkeit für Kinder und vom Innenminister die Referate zum Ausländerrecht und der Migrantenaufnahme.

Alts Mitarbeiter werden wohl flink auf den Beinen sein müssen. Denn ganz gleich, ob Kaffee eingeschenkt werden muss oder es darum geht, ob das Auto der Ministerin im Parkverbot steht: Bevor jemand anderes eine Aufgabe oder ein Problem richtig erkannt hat, ist Irene Alt schon unterwegs.

Von unserem Redakteur Dietmar Brück